Archive for September 2021

Islam und Feminismus

10. September 2021

Feminismus als Unwort?

.

VON Rabeya Müller

Rabeya Müller hat Islam. Theologie, Islamwissenschaften und Pädagogik studiert, Sie ist stellv. Vorsitzende des ZIF (Zentrum für Islam. Frauenforschung und Frauenförderung), Mitglied in vielen interreligiösen Institutionen und Gründungsmitglied und Vorstandsmitglied des
Liberal Islamischen Bundes.

„Ich will jetzt mal etwas Feministisches sagen, obwohl ich keine Feministin bin.“ Diese Äußerung einer ehemaligen Vorstandsfrau eines größeren muslimischen Verbandes schildert exakt das Dilemma, in dem sich muslimische Frauen nur allzu oft befinden.

Die Vorsicht, mit der die Rednerin das Wort ‚feministisch’ in den Mund nimmt und natürlich gleichzeitig weit von sich weist, zeigt, wie verpönt diese Wortwahl in traditionellen Kreisen ist.

Diese Problematik der Begrifflichkeiten, welche vielfach als Aufhänger dazu genutzt werden, um die jeweilige Zugehörigkeit zu manifestieren, kommt einem vor wie das alte ‚Teekesselchenspiel’, das viele vielleicht noch aus der Schulzeit kennen. Gleichlautende werden wortgewaltig unterschiedlich beschrieben und die anderen müssen raten, was gemeint ist, also z.B. „Mein Teekesselchen ist für Geschle-chtergerechtigkeit!“ einerseits und andererseits: „Mein Teekesselchen wird mit Alice Schwarzer gleichgesetzt!“

Da wird damit argumentiert, dass dieser oder jener Begriff westlich konnotiert ist, dass sich die einen vom Westen ‚einfangen’ lassen und z.B. Feminismus grundsätzlich als Wort augenscheinlich nur von Menschen wie der „Emma“- Begründerin gefüllt werden kann, auch die Medien schlagen in diese Kerbe und fördern ein solches Denken.

Islamisch – egal ob feministisch oder nicht
Dabei verlieren die Kritikerinnen offenbar völlig aus den Augen, dass mittlerweile weltweit die Lage eine andere ist, besonders, wenn es um islamische feministische Theologie geht. Hier haben sich viele Protagonistinnen, zuletzt Amina Wadud in ihrem Interview vom 17.08.2011 bereits geäußert. So sagte Wadud:

„Seit Beginn des 21. Jahrhunderts gibt es eine Alternative für muslimische Frauen, die sich nicht zwischen den Menschenrechten und dem Islam entscheiden wollen. Und es gibt einen Namen für das, was wir tun: islamischer Feminismus. Denn wir ziehen den Islam heran, um die Gleichwertigkeit von Mann und Frau ins Bewusstsein zu rufen …“.

Amina Wadud ist ebenso wie Asma Barlas eine kluge Vordenkerin. Barlas allerdings hat, obwohl sie viel auf diesem Gebiet forscht, ebenfalls Probleme mit dem Begriff Feministin, gerade weil dieser so unterschiedlich genutzt wird. Trotzdem haben beide Frauen vielfach theologisch bereits eigene Ansätze entwickelt und arbeiten seit Jahren konstruktiv zusammen.

Asma Barlas: „… Ich habe den ontologischen Status des Korans als göttliche Offenbarung nie in Frage gestellt. … Das Problem liegt somit nicht im Koran als heiligem Text selbst, sondern darin, dass wir ihn nicht richtig auslegen. Nicht der Text selbst ist für mich also der Kern des Problems (wie er es für viele andere Gelehrte ist), sondern eher, wie sich der Mensch den Text aneignet. …“

Wenn der Diskurs das Ziel ist, dann ist das konstruktive Miteinander die Erfüllung
Im Grunde ist der Versuch, westlich geprägte Begriffe auch nur westlich zu konnotieren und alle, die sich selbst mit diesen Begriffen identifizieren als verwestlicht anzuprangern, eine einseitige Sackgasse, weil es auf dieser Basis keine Gesprächs – bzw. Diskussionsgrundlage gibt.

Denn um was geht es eigentlich? Es geht darum eine gerechte Gesellschaftsordnung zu forcieren, bei der niemand u. a. aufgrund seines Geschlechts diskriminiert, benachteiligt oder bevorzugt werden darf.

Das gilt für alle Bereiche des Lebens, z.B. die Gleichbehandlung bei Einkommen, Partizipation an der Gesellschaft, Partizipation in der eigenen Community, die Deutungshoheit über den Koran, die Wahrnehmung von Ämtern und Funktionen und die Mitgestaltung des alltäglichen Lebens.

Selbst wenn sich die Dinge nicht sofort revolutionär verändern lassen, müssen sie doch zumindest diskutierbar sein und bleiben. Das ist eine der wenigen Möglichkeiten einen menschlichen Absolutheitsanspruch auszuschließen.

Der Islam hatte in seiner Frühzeit eine Diskussionskultur, von der wir uns im fortschreitenden 21. Jahrhundert immer häufiger wegbewegen und der Grund hierfür scheint in der Angst vor Machtverlust zu liegen. Das ist umso abstruser, als bisher niemand diese Macht wirklich inne hat. Wie also ist ein solch blinder Aktionismus zu erklären?

Begriff kommt von ‚Begreifen’
Dabei nehmen wir uns die Möglichkeit, Begriffe selbst mit eigenen Inhalten zu füllen. So ist z.B. islamisch-feministische Theologie nicht gleich zu setzen mit dem ‚Alice-Schwarzer-Feminismus’, auch nicht unmittelbar mit den Auffassungen in den christlichen Kirchen.

Wir haben das Recht, unsere eigene Definition zu erarbeiten, die ja kein Dogma oder eine göttliche Weisung darstellen, sondern eine Grundlage zur Diskussion, zum Weiterdenken.

Dabei wird auch keine Abqualifizierung vorgenommen, z.B., dass nicht-feministisch gleichbedeutend ist mit „schlechter“ oder „rückständig“. Es ist eben anders. Wenn theologisch gebildete Frauen sagen, dass sie sich nie als Feministin bezeichnen würden, ist das in Ordnung, solange sie es nicht aus Angst vor der allgemeinen Reaktion so halten.

Die Angst vor dem Feminismus aber sitzt tief und das nicht nur in muslimischen Kreisen.

Im Gegenteil, die unheiligen Allianzen, die sich das Patriarchat hierbei leistet, wären wahrscheinlich auf keinem anderen Gebiet möglich. Auch die anderen Religionsgemeinschaften zeigen, gerade auf der

Funktionärsebene, alles andere als Begeisterung, wenn ihnen von feministisch-theologischer Seite die alleinige Deutungshoheit über die eigenen Offenbarungsschriften streitig gemacht und eine Partizipation am theologischen Diskurs abverlangt wird.

Warum also sollten patriarchale muslimische Kreise anders reagieren?

Nun, vielleicht weil der Qur’ān einen Ausschluss von Frauen nicht vorsieht oder vielleicht, weil stets von eben dieser Funktionärsebene betont wird, dass man natürlich für die Gleichwertigkeit sei. Mancherorts ringen sich die VertreterInnen der patriarchalen Lesart sogar dazu durch, das Wort ‚Gleichberechtigung’ zu benutzen. Dies ist, so es denn ernst gemeint ist, durchaus als fortschrittlich zu werten.

Wie viel Dynamik geht einer Gesellschaft verloren, die sich nur auf alt eingefahrenen Strassen bewegt? Sind nicht gerade die Neugier und die Auseinandersetzung mit dem Neuen, dem Unbekannten etwas, was Gemeinschaften eine Öffnung und Toleranz beschert?

Grundsätzlich bietet der Islam in seinen Grundstrukturen keine Handhabe für eine Hierarchisierung innerhalb der Gesellschaft bzw. der Geschlechter, deshalb wird und wurde heute wie damals versucht, die Texte den eigenen Vorstellungen zu Diensten zu machen.

Bei vielen, auch in der Bundesrepublik, heute praktizierten Lebensweisen, lässt sich nachweisen, dass darin Gewohnheitsrechte (’Ada) verankert sind, dies aber ist eine Methode aus dem Islamischen Rechtsdenken, die durchaus ihre Berechtigung hat. Dies ist aber nur eine Seite der Medaille.

Es war und bleibt ebenso notwendig das Islamische Rechtsdenken diskursiv weiter zu entwickeln, so wie das in den unterschiedlichen Rechtsschulen in deren Anfangszeit geleistet wurde. Viele selbstverständliche frühislamische Möglichkeiten werden heute vernachlässigt – aus Angst vor Verlust.

In einigen Gesellschaften war es für das Patriarchat schier unerträglich, die Frau als nicht untergeordnet anzusehen und zu behandeln. Macht war ein Wert, den es um jeden Preis zu erhalten galt. In diesem Sinne wurden viele Qur’ānverse nicht unter Berücksichtigung anderer betrachtet und ausgelegt, sondern durch die Beiziehung von Traditionen.

Ersteres gilt als anerkannte Methode, um den ruh-at-tašri (den Geist der Schrift) erfassen zu können, während die zweite Methode eine eindeutig interessengeleitete ist. Übrigens sind dies alles Fragen, mit denen sich der Liberal Islamische Bund seit seiner Gründung durchweg beschäftigt.

Frauen und Männer bei der Wallfahrt in Mekka

Die negative Denkweise über den in Deutschland real existierenden Islam speist sich zum Teil vor allem aus dieser traditionellen Lesart und deren Umsetzung in einzelnen Gruppen und aus gängigen, oft medienbedingten, Vorurteilen. Auf administrativer Seite wird das nur allzu oft süffisant hingenommen. Wenn tatsächlich der grundgesetzliche Anspruch der Gleichberechtigung der Geschlechter auch ein Umsetzungswunsch in Bezug auf muslimische Menschen in diesem Lande ist – dann sollten auch diejenigen gehört werden, die solches, auch mit einer muslimischen Identität, ehrlich und authentisch fordern und fördern. Dabei kann es durchaus zu allgemein als unliebsam betrachteten Nebeneffekten kommen, aber – birgt Freiheit nicht immer ein Risiko?

Das gilt für beide Seiten – bei einer wirklichen Zur-Kenntnisnahme einer geschlechtergerecht ausgerichteten Lesart und alltäglichen Umsetzung qur’ānischen Denkens werden die ihr Ziel erreichen, denen es wirklich radikaldemokratisch aber auch basisch- islamisch um die Frauen geht.

Die Suche nach mutigen Menschen, die eine unabhängige Position einnehmen und dies auch vertreten – ungeachtet der sozialen Diskriminierung, die ihnen beidseitig droht.

Dabei ist es gleichgültig, welches Geschlecht solche Menschen haben und ob sie sich entsprechend diverser Forderung so oder so kleiden. Wichtig sind dabei die wirkliche Persönlichkeit und die uneigennützige Absicht denjenigen zu dem Recht zu verhelfen, das sowohl religiös als auch grundgesetzlich zugesichert wird.

Protestantinnen im Islam

10. September 2021

Theologin Rabeya Müller Imamin des LIB e.V.

im Gespräch im „Forum am Freitag“

Zur Auslegung der Sure 4:34 und zur umstrittenen korrekten  Übersetzung des Wortes „daraba“

Feministisch-islamische Theologie

Ähnlich wie Jüdinnen und Christinnen haben muslimische Frauen seit einigen Jahren die feministische Theologie für sich entdeckt. Sie möchten die Quellen des Islam, den Koran und die Sunna, von den jahrhundertealten patriarchalischen Interpretationen lösen, die ihrer Ansicht nach dazu dienten, die Macht der Männer gegenüber den Frauen zu erhalten und Frauen eine Beteiligung am gesellschaftlichen und religiösen Leben in großem Maße vorzuenthalten.

Die Quellen des Islam, so lautet ihre Überzeugung, garantieren Männern und Frauen jedoch die gleichen Rechte. „Wenn wir sagen, dass der Koran ein geschlechtergerechtes Buch ist, dass Gott ein geschlechtergerecht denkender Schöpfer ist, dann können wir nicht in der Praxis ein Geschlecht ungerecht behandeln“, so die Theologin Rabeya Müller vom Kölner Zentrum für Frauenforschung, kurz „ZiF“. Besonders die Stellen im Koran, die sich augenscheinlich frauenfeindlich äußern, müssen nach Auffassung der muslimischen Feministinnen neu interpretiert werden.

Miteinander vor Gott. Rabeya Müller und ev. Pfarrer Hans Mörtter in Köln

 „Mann muss die Muslime reformieren“

Kein männliches Deutungsmonopol

Sie möchten daher das Deutungsmonopol der Männer brechen. Zudem plädieren sie für einen Zugang zu den Ämtern, den ihnen die muslimischen Männer seit Jahrhunderten verwehren. Erst seit einigen Jahren können sich muslimische Frauen zu Theologinnen ausbilden lassen und auch als Geistliche arbeiten, allerdings nur für Frauen. Eine Frau als Vorbeterin einer gemischten Gemeinde ist dagegen in der islamischen Welt immer noch undenkbar.

Die Wurzeln der modernen islamischen Frauenrechtsbewegung reichen mehr als hundert Jahre zurück. Anfang des 20. Jahrhunderts schrieben Feministinnen in Ägypten, durch den europäischen Einfluss inspiriert, Bücher und Artikel, die in gängigen Magazinen veröffentlicht und sowohl von Frauen und Männern gelesen wurden. Sie plädierten dabei für das Recht der Frauen auf Bildung und Arbeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet die feministische Frauenbewegung zunächst in Vergessenheit. Wiederbelebt wurde sie Anfang der neunziger Jahre durch die marokkanische Soziologin Fatema Mernissi. In ihren Büchern geht sie der Frage nach, wie sehr die Interpretation der islamischen Quellen durch Männer manipuliert und missbraucht worden war.

Zitat

„Verglichen mit der vorislamischen Stellung der Frau bedeutete die islamische Gesetzgebung einen enormen Fortschritt; die Frau hat das Recht, über das zu verfügen, was sie durch eigene Arbeit verdient hat.“

Annemarie Schimmel

Der Koran – ein Fortschritt für Frauen

Den muslimischen Feministinnen geht es vor allem darum, den Koran so zu deuten, wie es ursprünglich beabsichtigt war. Denn der Islam stärkte die Rechte der Frau: Galten sie in vorislamischer Zeit als Erbmasse, waren sie jetzt erbberechtigt – ein Privileg, das in vorislamischer Zeit nur Männern zugestanden wurde. Vorher gehörte die Frau zum Besitzstand des Mannes und wurde nach seinem Tod an die nächsten Verwandten mitvererbt. So schreibt die mittlerweile verstorbene Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel: „Verglichen mit der vorislamischen Stellung der Frau bedeutete die islamische Gesetzgebung einen enormen Fortschritt; die Frau hat – zumindest nach dem Buchstaben des Gesetzes – das Recht, über das zu verfügen, was sie in die Familie gebracht hat oder durch eigene Arbeit verdient hat.“ Auch in anderer Hinsicht bekamen die Frauen mehr Rechte. Die Mitgift wurde an die Frau gezahlt, nicht mehr an den Vater des Mannes. Die Ehe wurde ein ziviler Vertrag, dessen Gültigkeit von dem Einverständnis der Frau abhängig war. Zudem führte der Islam die Scheidung ein.

Ägyptische Autorin Nahed Salim

Feminismus – auch für Männer ein Gewinn

Die Protagonistinnen des islamischen Feminismus möchten daher die ihrer Ansicht nach geschlechtergerechte Botschaft des Korans wieder mit neuem Geist beleben. Dabei gibt es verschiedene Ansätze: Einige möchten Verse des Koran ignorieren, so wie die in Holland lebende ägyptische Autorin Nahed Salim: „Als eine emanzipierte Frau plädiere ich dafür, diejenigen Verse, die eine frauenfeindliche Botschaft beinhalten, nicht mehr zu beachten. Dies gilt für die Polygamie, die körperliche und seelische Züchtigung von Frauen und die Ungleichheit von Männern und Frauen vor Gericht.“ Eine problematische Forderung, denn für Muslime ist der Koran das wörtlich offenbarte Wort Gottes und somit unantastbar.

Historisches Dokument Koran

Auch Nehide Boskurt geht dies zu weit. Die Professorin an der Theologischen Universität in Ankara plädiert daher für einen anderen Weg. Sie möchte eine historische Einordnung der Verse: „Man kann die Verse nicht missachten. Ich bin Historikerin, und der Text liegt vor mir. Wie kann ich ihn somit denn nicht beachten? Ich denke, es ist eine Frage der Interpretation. Daher bin ich dafür, den historischen Kontext mehr herauszuarbeiten.“ Und die Wissenschaftlerin gibt auch ein konkretes Beispiel für ihren Ansatz: „Die Zeugenaussage von zwei Frauen entspricht der eines Mannes. Doch wir wissen, dass zu jener Zeit Frauen keine Erfahrungen in Bereich des Handels hatten. In diesem Zusammenhang sagt der Koran, wenn es um Geldgeschäfte geht, sollen zwei Frauen aussagen, damit die eine die andere erinnern kann. Damals waren die Frauen unerfahren, doch heute gibt es viele Frauen in Wirtschaftsunternehmen. Wie kann man da heute noch behaupten, zwei Frauen entsprächen einem Mann?“

In Deutschland sind es die Hamburger Imamin Halima Krausen und die Frauen um Rabeya Müller im „ZiF“, die sich für eine Neuinterpretation umstrittener Verse einsetzen. Beispiel ist der Vers 4, 34, in dem den Männern das Recht eingeräumt wird, ihre Frauen körperlich zu züchtigen: Der arabische Begriff „daraba“ hat neben „schlagen“, wie er üblicherweise übersetzt wird, auch die Bedeutung „prägen“ und „trennen“. In diesen Bedeutungen wird „daraba“ im Koran am häufigsten benutzt. „Wenn man sich jetzt den Kontext anguckt, wie es im Koran drinsteht – wenn es irgendwelche Zwistigkeiten gibt, sprecht erst miteinander, dann trennt euch zeitweilig – dann empfindet man es als absolut unlogisch, wenn dann kommt ‚dann schlagt sie‘. Wie um Gottes willen soll ein solcher Schlag eine Ehe retten?“, fragt Rabeya Müller.

Halima Kausen

Langer Weg zur Gleichberechtigung

Doch egal, ob die Verse des Koran weggelassen, historisch eingebettet oder neu interpretiert werden – eines wird deutlich: Es gibt viele Ansätze von Frauen in der islamischen Welt im Kampf um ihre Rechte und gesellschaftliche Gleichstellung. Doch immer noch haben diese Frauen es ungleich schwerer als ihre nicht-muslimischen Geschlechtsgenossinnen. Daher ist der Weg zu einer Gleichberechtigung der Geschlechter in der islamischen Welt noch lang. Die Journalistin Nahed Selim zumindest ist in dieser Hinsicht optimistisch: „Ich denke, wenn man den Frauen mehr Kraft gibt, dann verstärkt man auch den Islam, denn Frauen stellen die Hälfte aller Muslime. Sie führen und erziehen ihre Kinder, und sie haben großen Einfluss in der muslimischen Gesellschaft. Wenn sie sich stark und glücklich fühlen und ihnen Gerechtigkeit widerfährt, dann wird die ganze islamische Gemeinschaft und auch der Islam gerecht behandelt.“

Mit Material von ZDF

Dieser erste Koran für Kinder und Erwachsene zeigt, dass die Lehren und Erzählungen des Korans für jedermann gut verständlich sind.

Durch die thematische Anordnung der Verse, die klare und verständliche Übersetzung sowie die knappe Erläuterungen bietet er einen einzigartigen Schlüssel, um das heilige Buch der Muslime kennen zu lernen.

Autorinnen: Lamya Kaddor und Rabeya Müller

Verlag C.H.Beck oHG

ISBN 978 3 406 57222 7 Preis: 19,95 €

Miteinander vor Gott, fünfte Feier
17. März 2019

Christlich-muslimisch-jüdische Begegnungsfeier
mit Pfarrer Hans Mörtter, Imamin Rabeya Müller,  Avi Applestein, Liberale jüdische Gemeinde Köln und Gila Enayati von der Bahai-Gemeinde

Christlich-muslimisch-jüdische Begegnungsfeier,

„Sehnsucht / Hoffnung – Liebe ist der Motor“

Bei unserer fünften Begegnungsfeier trafen sich erstmalig vier abrahamitische Religionen, um miteinander vor Gott zu stehen: Pfarrer Hans Mörtter und Imamin Rabeya Müller begründeten das Format, bei der vierten Feier beteiligte sich Günther Bernd Ginzel von der Liberalen jüdischen Gemeinde Köln daran, der dieses Mal aus gesundheitlichen Gründen allerdings absagen musste und herzliche Grüße an die Anwesenden ausrichten ließ. Statt seiner brachte sich sein Glaubensgenosse Avi Applestein ein. Die Vierte im Bunde war Gila Enayati von der Bahai-Gemeinde, einer Religion, die sich den abrahamitischen Monotheismus zu eigen machte, ihn aber auf ihre Art interpretiert.

Nach dem kürzlichen Attentat auf eine Moschee im neuseeländischen Christchurch kamen auch Sicherheitsbedenken für diese Veranstaltung auf. Menschen jüdischen, christlichen und muslimischen Glaubens sind global betrachtet immer wieder Opfer von Angriffen. Pfarrer Hans Mörtter spricht den Attentätern aber eine religiöse Motivation ab: „Solche Terroristen sind rechtsradikal. Das sind kranke Menschen, die eine Religion dazu missbrauchen, um ihre Morde zu rechtfertigen. Sie wollen, dass wir uns nicht sicher fühlen“. Der Israeli Avi Applestein meinte: „Gott hat uns Intelligenz und Dummheit geschenkt. Wir entscheiden uns immer wieder für die Dummheit und ziehen es vor, im Schmerz zu leben. Anstatt die Gemeinsamkeiten zu erkennen, forcieren wir viel zu sehr die Unterschiede“. Rabeya Müller rief zur „Aufrüstung“ auf: „Gemeint ist eine verbale Aufrüstung, denn zu schweigen, heißt, die anderen gewähren zu lassen“.
Hans Mörtter geht davon aus, dass unsere Gemeinde nicht bedeutsam genug ist, um in Gefahr zu sein: „Wir feiern. Hand in Hand. Miteinander. Wir sind Brüder und Schwestern in dieser Welt. Alles andere ist gelogen“. Für Hans Mörtter ist das nicht blauäugig: „Was nährt die Hoffnung? Unsere Liebe, unser Mitgefühl, unser Miteinander. Unser Mut, füreinander einzustehen, aufzustehen gegen Unrecht und Hass. Die Achtung, in der wir uns alle begegnen und die wir bekennend hochhalten“.

Und so feierten wir, auch im Anschluss im Gemeindesaal, wo die Liberalen Muslime Deutschlands wieder ein wunderbares Brunch aufgebaut hatte. Am Ende teilten wir uns gar nicht mehr in Christen, Muslime, Juden, Männer, Frauen oder andere ein. Wir waren einfach 280 Menschen, die mit ihrer Teilnahme an dieser Begegnungsfeier ein Zeichen gesetzt haben.

Zum Schluss noch ein wunderbares Beispiel jüdischen Humors. Avi Applestein erzählte diesen Witz: „Ein Rabbi ist unglücklich und spricht mit Gott: ‚O Gott, o Gott, was soll ich tun? Mein Sohn ist zum Christentum konvertiert?‘ Da antwortet Gott: ‚Was soll ich dazu sagen? Mein Sohn hat das auch getan’“.

Text: Helga Fitzner
Fotos: Lothar Wages (Bilder oben) und Miyesser Ildem

Der Ablauf der Begegnungsfeier im Einzelnen

Christlich-muslimisch-jüdische Begegnungsfeier,

Imamin Rabeya Müller und Pfarrer Hans Mörtter gestalteten die Begegnungsfeier schon zum fünften Mal, Foto: Lothar Wages

Christlich-muslimisch-jüdische Begegnungsfeier,

Imam Faizal beim Gebetsruf Azan, Foto: Lothar Wages

Christlich-muslimisch-jüdische Begegnungsfeier,

Avi Applestein von der Liberalen jüdischen Gemeinde las den Psalm, Foto: Miyesser Ildem

Christlich-muslimisch-jüdische Begegnungsfeier,

Kantor Thomas Frerichs sorgte am Klavier für die musikalische Begleitung, Foto: Lothar Wages

Christlich-muslimisch-jüdische Begegnungsfeier,

Ein Jude, eine Muslima, eine Bahai-Anhängerin und ein Christ bei den Fürbitten, Foto: Lothar Wages

Christlich-muslimisch-jüdische Begegnungsfeier,

Avi Applestein von der Liberalen jüdischen Gemeinde und Gila Enayati als Vertreterin der Bahai-Religion waren das erste Mal dabei, Foto: Lothar Wages

Christlich-muslimisch-jüdische Begegnungsfeier,

Ein Teil des fantastischen Buffets, zu dem die Liberale muslimische Gemeinde eingeladen hatte, Foto: Helga Fitzner

Christlich-muslimisch-jüdische Begegnungsfeier,

Die Gemeinde beim regen Austausch und genießen, Foto: Lothar Wages

Größte Gelehrte im Islam war eine Frau!

9. September 2021

Ich hoffe sehr auf die jungen Menschen, vor allen den jungen Frauen in aller Welt, dass Sie den Islam in die heutige Zeit holen und sich nicht mehr verdrängen lassen von den Männern, sondern sie Zeichen setzen. Ich frage mich oft, wie Mohammed wohl in der heutigen Zeit gelebt und gehandelt hätte. Danach muss man sein Wissen und Handeln ausrichten, der Koran gibt viele Hinweise darauf und er ist nicht rückwärtsgewandt, wie viele denken, sondern ein Buch der heutigen Zeit.

Frauen haben in früheren Zeiten gelehrt, haben Fatwas ausgesprochen, waren klug und weise, und haben auch Männern Unterricht erteilt. ‚A’ischa, die Frau des Propheten, sagte: „Wie großartig sind die Frauen der Ansar. Ihre Bescheidenheit hielt sie nicht davon ab, zu Gelehrten im Din zu werden.

“ Es gibt keinen Zweifel, dass der Islam die Wichtigkeit des Wissens betont. Jeder kennt den berühmten Ausspruch des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken:

„Suche Wissen, selbst wenn es in China ist.“

Der Qur’an befiehlt uns ebenfalls, Wissen zu suchen.

Allah sagt: „Sprich: Herr, mehre mein Wissen.“ (Ta-Ha, 114)

Die Bedeutung von Wissen und dessen Konsequenzen wird den ganzen Qur’an hindurch zum Ausdruck gebracht:

„Nur diejenigen, die Wissen haben, werden es begreifen“ (Al-Ankabût, 43)
und
„Und sie sagen, ‘Hätten wir nur zugehört und unseren Verstand gebraucht, so wären wir nicht unter den Leuten des Feuerbrandes’.“ (Al-Mulk, 10)

Die Liste der Ajat (Verse) über dieses Thema könnte immer weiter fortgeführt werden. Die Leute des Wissens sind „die Erben der Propheten“, wie der Gesandte Allahs gesagt hat. Er sagte auch:

„Wissen fügt dem Edlen Ehre hinzu und erhebt den Sklaven, bis er die Ebene von Königen erreicht.“

Der Befehl, nach Wissen zu streben, ist ebenso an die Frauen gerichtet.

Das Wissen ‘A’ischas über den Din ist berühmt. Der Prophet sagte zu seinen Gefährten:

„Nehmt die Hälfte eures Dins von Humaira (‘A’ischa).“

Und die Berichte, die uns von den Gefährten vorliegen, belegen das unbeschreibliche Maß von Wissen, über das sie verfügte.

Abu Musa Al-Asch’ari sagte:
„Wann immer wir, die Gefährten des Propheten, auf irgendeine Schwierigkeit bezüglich eines Hadith stießen, brachten wir es ‘A’ischa vor und fanden, dass sie eindeutiges Wissen darüber hatte.“

‘Urwa ibn Az-Zubayr stellte fest:
„Ich habe keinen größeren Gelehrten gesehen als ‘Ai’scha, was das Lernen des Qur’an betrifft, die Aufteilung der Erbschaft, erlaubte und verbotene Dinge, Poesie und Literatur, arabische Geschichte und Genealogie.“

Ibn Al-Dschauzi erwähnt eine Überlieferung von Hischam ibn ‘Urwa, dass dieser zu ‘A’ischa sagte:
„Umm! (Mutter, da sie als Frau des Propheten eine der „Mütter der Gläubigen“ ist) Ich bin nicht überrascht von deinem Wissen über Poesie, denn du bist die Tochter von Abu Bakr, und er war derjenige, der am meisten von allen Menschen über Dichtung wusste. Doch ich wundere mich über dein Wissen in Medizin.“

Sie klopfte ihm auf die Schulter und sagte:

„Der Gesandte Allahs, Allah segne ihn und schenke ihm Frieden, war am Ende seines Lebens krank, während die Delegationen der Araber aus allen Richtungen zu ihm kamen. Sie verschrieben Dinge für ihn und ich behandelte ihn entsprechend. Daher kommt es.“

Al-Qasim ibn Muhammad sagte:

„‘A’ischa übernahm das Geben von Fatwas (Rechtsgutachten) während der Khalifate Abu Bakrs, ‘Umars, ‘Uthmans und so weiter, bis sie starb.“

Bei Abu ‘Abdullah Al-Ghafiqi heißt es über ‘A’ischa:

„Sie hatte die meisten Überlieferungen vom Propheten und den meisten Fiqh (Rechtsverständnis) von denen, die Fatwa gaben. Sie wurde von Menschen aus den entferntesten Ländern zwecks Wissens von der Sunna und den Verpflichtungen aufgesucht. Sie erzählte alle Dichtungen der Araber mit großer Reinheit. Sie war wundervoll im Tafsir (Kommentar) des Qur’an und in eloquenter Ausdrucksweise. Sie hatte den reichsten Anteil von Wissen in Medizin.“

‘Urwa sagte:

„Nie sah ich jemanden mit mehr Wissen über das Erlaubte und Verbotene, Allgemeinwissen, Wissen über Dichtung und Medizin als ‘A’ischa.“

Masruq sagte,

„Ich sah die Gefährten ‘A’ischa über die Aufteilung der Erbschaft befragen.“

An-Nabulisi schreibt:

„Es gibt keinerlei Vorwurf oder Tadel für eine Frau, sich mit irgendeinem Aspekt des Strebens nach Wissen zu befassen und es zu lehren (…)

‘A’ischa pflegte die Wissenschaften zu interpretieren und herausragenden Männern Information über unklare Dinge zu geben.

(Von Aisha Bewley)

Kommentar:

Wo ist diese Auffassung in den Jahrhunderten geblieben, mit welchem Recht können die Männer sagen, Frauen dürfen nicht lehren und wenn, dann nur Frauen unterrichten, wo bei den Lebzeiten von Mohammed und unter den Kalifen, die Frauen sich überaus großes Wissen angeeignet haben und Fatwas ausgesprochen haben und Männern den Islam gelehrt haben.

Genauso verhält es sich mit der Trennung von Männern und Frauen, auch das war zu Mohammeds Zeiten nicht. Aber über die Jahrhunderte und der Einfluss der Kolonialzeit, wo die Europäern den arabischen Menschen ihre Auffassung von der Minderwertigkeit der Frau erklärten und danach handelten, hat sich das etabliert und gehört nicht in die heutige Zeit.

Ich hoffe sehr auf die jungen Menschen, vor allen den jungen Frauen in aller Welt, dass Sie den Islam in die heutige Zeit holen und sich nicht mehr verdrängen lassen von den Männern, sondern sie Zeichen setzen. Ich frage mich oft, wie Mohammed wohl in der heutigen Zeit gelebt und gehandelt hätte. Danach muss man sein Wissen und Handeln ausrichten, der Koran gibt viele Hinweise darauf und er ist nicht rückwärtsgewandt, wie viele denken, sondern ein Buch der heutigen Zeit.

Frauen um Mohammed

8. September 2021

Wir Muslime sollen nach dem Vorbild unseres Propheten, Friede und Heil auf ihn, leben. Das heißt nach der Sunna leben. Deswegen muss man viel über das Leben von Mohammed, Friede und Heil auf ihn, wissen, um ihm nachzueifern.

Islamisches Wort

Von Hilal Sezgin

Von dem Schriftsteller Edgar Allen Poe erschien 1844 die Kriminalgeschichte „Der entwendete Brief“. Darin sucht die Polizei lange vergeblich nach einem gestohlenen, geheimen Schriftstück. Erst der Detektiv Dupin kann es finden: Der Brief steckt in einer ganz normalen Ablage, genau dort, wo Briefe hingehören. Dass er so sichtbar war, war gerade der Grund dafür, dass ihn alle übersehen hatten.

Wir mussten diese Geschichte in der Schule lesen, und ich fand den beschriebenen psychologischen Mechanismus immer total unwahrscheinlich. Bis ich neulich die Parallele zu einem gewissen anderen Phänomen entdeckte. Ich überlegte nämlich, was wir TATSÄCHLICH über die Frauen in der Frühzeit des Islams wissen. Mohammed und die Frauen: Im Abendland wird diese Frage so stark mit dem Thema Polygamie assoziiert, dass man sich fast schon scheut, genauer hinzuschauen. Aber wagen wir es doch einfach mal!In erster Ehe war Mohammed mit einer reichen Frau namens Khadidscha verheiratet. Davor hatte er für sie als Karawanenführer gearbeitet. Als er sich bewährt hatte, machte sie ihm einen Heiratsantrag. Für sie war es bereits die dritte Ehe. Sie war, wir wissen es nicht genau, fünf oder möglicherweise auch fünfzehn Jahre älter als er. Als Mohammed seine erste Offenbarung erhalten hatte, war er furchtbar verunsichert, was ihm widerfahren war. Zu wem ging er, um sich Rat zu holen? Er ging zu Khadidscha.

Der Prophet Mohammed gibt seine Tochter Fatima zur Heirat mit seinem Cousin ʿAlī ibn Abī Tālib (aus der osmanischen Miniatur Siyer-i Nebi).

Man sollte diese Fakten ruhig einmal auf sich wirken lassen, und gern auch mit unseren heutigen Verhältnissen vergleichen. Mohammed liebte seine Chefin. Er hatte keinerlei Probleme damit, von ihr Anweisungen zu empfangen und diese auszuführen, und auch keins damit, dass sie es war, die Geschäft und Geld mit in die Ehe brachte. Da findet sich kein Fünkchen Machotum von wegen Familienernährer oder Familienoberhaupt. Da wird „weiblichen Führungskräften“ nicht insgeheim der Gehorsam verweigert. Und in dem Moment, als sein Leben eine – für ihn noch nicht ganz fassbare – Wendung nimmt, sucht er sich nicht etwa einen männlichen Berater, sondern bespricht die Sache mit seiner Frau.

Ich frage mich, wie viele vermeintlich moderne Männer – ob muslimisch oder nicht – so viel Kompetenz und sogar zeitweilige Überlegenheit seitens einer Frau akzeptieren – und sie dafür sogar lieben können!  Schließlich war es kein Mutter-Sohn-Verhältnis, der Ehe entsprangen mindesten fünf Kinder. Und weit davon entfernt, als „Jungfrau“ in die Ehe zu gehen, wie es heute offenbar viele alte Männer von ihren jungen Bräuten erwarten, war Khadidscha bereits mehrfache Mutter.

In späteren Jahren, Khadidscha war gestorben, heiratete Mohammed mehrere Frauen, die übrigens auch sämtlich verwitwet oder geschieden waren – und eine ganz junge: Aischa. Nach heutigen Maßstäben wäre sie noch ein Kind. Doch die Ehe mit dem wesentlich älteren Propheten scheint für Aischa keine Abhängigkeit bedeutet zu haben. Sie machte aus ihr kein braves Frauchen, keine stumme Maus, im Gegenteil. Nach Mohammeds Tod gehörte Aischa zu den ersten, wichtigen Interpretinnen und Interpreten des Korans und der Prophetenworte. Man hörte auf das, was sie zu sagen hatte. Später spielte sie eine entscheidende Rolle in der Opposition gegen den Kalifen Uthman, sprach sich dennoch gegen seine Ermordung aus – und führte danach den politischen und militärischen Aufstand gegen Ali an.

Frauen im Islam: in Augenhöhe mit den Männern.


Scharia

7. September 2021

Scharia – Auf vielen Wegen zur Wasserstelle –

6. September 2021

von Elisabeth Mariam Müller
Gesetze: Islamisches Recht ist alles andere als starr. Es lasst Spielraum für Interpretationen
  In der Wüste auf der Arabischen Halbinsel ist der Weg zur Wasserstelle der Weg zum Leben.

Zu Zeiten des Propheten Mohammed vor rund 1600 Jahren wie heute ist in dieser unwirtlichen Gegend jeder dem Tod geweiht, der ihn nicht kennt. Im Arabischen gibt es für den „Weg zur Wasserstelle“ ein einfaches Wort: Scharia.

Der „Weg zur Wasserstelle“ ist für Muslime im übertragenden Sinn also nicht nur der Weg zum Leben, sondern der Weg zu Gott.

Wer die Vorschriften der Scharia achtet, der lebt ein Leben nach den Regeln des Allmächtigen. Er kann auf Rettung hoffen, selbst in trockensten Zeiten.

So weit, so einfach. Doch längst ist das Wort „Scharia“ zu einem Kampfbegriff geworden, in dem es um viel mehr geht. Wenn muslimische Extremisten in Pakistan oder Afghanistan die Scharia einführen wollen, dann suchen sie nicht den Weg zur Wasserstelle und zu Gott.
Der Ruf nach der Scharia ist Symbol für ihren Griff nach der Macht und ihren Kampf gegen die Moderne und die Einflüsse des Westens. Das „Gesetz Gottes“ wenden sie in simplifizierter Form an. Es manifestiert sich in der Unterdrückung der Frau und archaischen Strafen: Hand abhacken bei Diebstahl, Steinigung bei Ehebruch.
Fatalerweise ist es den Extremisten gelungen, die Interpretationshoheit über die Scharia zu gewinnen. Als Scharia gilt, was sie zur Scharia erklären. Abweichler werden des Abfalls vom Glauben bezichtigt.

Daher ist die Scharia längst nicht auf wenige, einfache und brutale Strafen zu reduzieren. Im Gegenteil:Sie ist ein komplexes Gebilde, über das sich Gelehrte in verschiedenen Teildisziplinen der islamischen Rechtswissenschaft (Fiqh) seit Jahrhunderten streiten.

Aus der Scharia als von Gott geoffenbarte Ordnung ergibt sich beileibe kein starres, kodifiziertes und unveränderliches, geschweige denn ein in der islamischen Welt einheitliches Recht. Die Scharia beruht zwar unter anderem auf dem Koran, die die Muslime als das vom Menschen unbeeinflusste Wort Gottes betrachten.

Doch sind in dem Heiligen Buch nur wenige Normen und Regeln zu finden, die keiner Interpretation des Menschen bedürfen.

Vieles bleibt offen, vage oder ist gar nicht erwähnt. Selbst wenn eine Regelung eindeutig formuliert ist, bleibt häufig unklar, unter welchen Bedingungen sie gilt.  Hier müssen die muslimischen Rechtsgelehrten mit eigener intellektueller Anstrengung zu Antworten kommen.

Auch wenn häufig das Gegenteil behauptet wird: Das islamische Recht ist durchaus vom Menschen gemacht. Es kann sich deshalb auch an veränderte politische und gesellschaftliche Verhältnisse anpassen.
Manche Islamwissenschaftler sagen sogar: Die Regeln der Scharia sind immer so modern und so konservativ wie diejenigen, die das Wort Gottes auslegen.
So gibt es in der islamischen Welt ganz unterschiedliche Rechtstraditionen. Deutlich sind etwa die Differenzen zwischen Schiiten und Sunniten. In der sunnitischen Rechtswissenschaft wiederum bildeten sich seit dem achten Jahrhundert n. Chr. vier große Rechtsschulen aus: die Hanafiten, die Malikiten, die Schafiten und die Hanabiten, jeweils benannt nach ihren Gründern.
Weil sie unterschiedlichen Lehrsystemen folgen, kommen sie teilweise zu völlig unterschiedlichen Reglungen. Das islamische Recht erhebt den Anspruch, nicht nur die Religion und ihren Ritus zu regeln, sondern alle Bereiche des menschlichen Lebens. Es befasst sich folglich mit Erbrecht, Ehe- und Familienrecht, Wirtschaftsrecht ebenso wie mit Straf-, Staats- und Verwaltungs- und Völkerrecht.

Dabei bewegen sich die Gelehrten nicht in einem luftleeren Raum, sondern sind an genau definierte Rechtsquellen gebunden. Fraglos ist der Koran der wichtigste dieser Quellen. Beinahe ebenso bedeutend ist die Sunna, also die Worte und Taten des Propheten Mohammed, die als Vorbild gelten. Beide Rechtsquellen sind für die Gelehrten jedoch mit erheblichen Problemen verbunden.

Im Koran zum Beispiel ist die Mehrheit der Regeln und Normen nicht nur mehrdeutig festgelegt – teilweise sind sogar gegensätzliche Vorschriften zu finden. So wird die Eigenschaft des Weins in Sure 16 gepriesen, während er in Sure 5 als „Gräuel von Satans Werk“ bezeichnet wird.

In solchen Fällen müssen die Rechtswissenschaftler entscheiden, welcher Vers einer Sure einen anderem abrogiert, also ungültig macht, zum Beispiel weil er Mohammed von Gott nach Auffassung muslimischer Experten später offenbart wurde.
So diskutieren die Rechtsgelehrten sehr lange die Frage, ob Alkohol generell oder nur Traubenwein verboten ist.

Widersprüchlich sind in vielen Fällen auch die Worte und Taten des Propheten. Die Sunna wirft darüber hinaus noch ein ganz anderes Problem auf. Weil ihr ein so hoher Stellenwert eingeräumt wird, entwickelte sich eine aktive Fälscherindustrie, die erdachte Überlieferungen aus dem Leben Mohammeds in Umlauf brachte, um die eigene Meinung möglichst hieb- und stichfest zu untermauern.

Um diesem Problem Herr zu werden, entwickelte sich eine besondere Disziplin, die sich damit beschäftigt, „falsche“ von „richtigen“ Überlieferungen zu unterscheiden. Eine Prophetentradition gilt nur dann als „wahr“, wenn die Überlieferungskette (Isnad) lückenlos ist und die einzelnen Überlieferer zuverlässig sind.

Es liegt in der Natur des Menschen, dass die Gelehrten auch in diesem Fall zu sehr unterschiedlichen Ansichten gelangen.
Zwei Fachleute, drei Meinungen – dieses abfällige Urteil über die Konsensfähigkeit der Experten ist (nicht nur) unter Muslimen weitverbreitet.

Dies gilt umso mehr, da Koran und Sunna längst nicht ausreichen, um das Leben der Muslime umfassend zu regeln. Beide Rechtsquellen können nur schwerlich beantworten, ob eine Frau Auto fahren darf, wie es in Saudi-Arabien diskutiert wurde.

Gestützt auf Koran und Sunna gilt deswegen der Konsens der Rechtsgelehrten (Idschma) als weitere Rechtsquelle.

Dabei stellt sich jedoch die Frage, welche Experten überhaupt übereinstimmen müssen, und wie ein Konsens festgestellt wird. Eine eindeutige Antwort lässt sich nicht finden. Einen „Konsens“ über den Konsens gibt es nicht.

Um zu gottgefälligen Normen und Regeln zu kommen, dürfen sich die Rechtsgelehrten auch des Analogieschlusses bedienen – die Regelung eines Falles darf auf einen anderen übertragen werden, soweit die beiden Fälle vergleichbar sind. Das Gewohnheitsrecht spielt ebenso eine Rolle, jedenfalls wenn es anderen Rechtsquellen nicht widerspricht. Auch regional unterschiedliche Bräuche fanden Einzug in das islamische Recht.
Vor allem in den frühen Jahren des Islam – als sich die verschiedenen Rechtschulen herausschälten – war es unter den Rechtsgelehrten gang und gäbe, durch eigene intellektuelle Leistungen zu Regeln zu kommen. Idschtihat nennt sich dieses eigenständige Räsonnement in der arabischen Fachsprache.

Je mehr sich jedoch die Rechtsschulen ausformten und auch in Konkurrenz zueinander standen, desto bedeutender wurde seit dem 10 Jahrhundert der „Taqlid“. Die mehr oder minder kritiklose Übernahme der Entscheidungen, die die Rechtsautoritäten bis dahin gefällt hatten. Das „Tor des Idschtihad“ schloss sich.

Umstritten unter Islamwissenschaftler ist jedoch bis heute, ob es gänzlich verrammelt war. Die islamische Reformbewegung, die sich im 19. Jahrhundert entwickelte, versuchte mit einigem Erfolg, es wieder aufzustoßen.

Islamische Reformer berufen sich heute im Wesentlichen auf den Idschtihad. Sie argumentieren, das islamische Recht müsse den Gegebenheiten der modernen Welt angepasst werden. Sie stoßen dabei auf heftigen Widerstand der Anhänger des Taqlid, die sich als Lordsiegelbewahrer der Tradition geben
  
    

Gebetszeiten

4. September 2021
  • Die Zeiten der Gebete richten sich nach der Sonne. Grün Ferien NRW. Gelb Samstag/Sonntag. Blau Wochentage

Das Ramadanfest

4. September 2021

Das Fest am Ende der Fastenzeit

Muslime glauben an den Propheten Mohammed und an Allah – das ist das arabische Wort für Gott.

Im Koran, dem heiligen Buch der Muslime, steht, dass jeder Muslim den Ramadan mit all seinen Regeln einhalten soll – ausgenommen sind Kinder, schwangere Frauen sowie alte und kranke Menschen.

Am Abend des 12.05.2021 beginnt das Fest, 13.05.21 beginnt es mit dem Festgebet.

Eid mubarak sind die Grüße zum Fest des Fastenende. Wenn ihr eure muslimischen Freunde beeindrucken wollt, dann sagt einfach mal ein „Ramadan Mubarak“ oder „Ramadan Kareem“ zur Begrüßung. Damit zeigt ihr nicht nur, dass ihr Bescheid wisst, sondern ihr zeigt auch Respekt. Und wenn der Ramadan vorbei ist, könnt ihr „Alles Gute zum Bayram!“ wünschen.

Die Muslime feiern das Ende des Ramadans, wir hier in Europa das Weihnachtsfest feiern. Die Kinder bekommen Geschenke, Familien und Freunde treffen sich zum gemeinsamen Essen. Es gibt an den Tagen sehr viel Süßigkeiten, deswegen ist das Wort „Zuckerfest“ hier in die Welt gesetzt worden.

Aber es ist das Ramadan- Fest und dauert meist 3 Tage.

Die Muslime geben eine Spende je nach Einkommen an die Menschen, denen es nicht so gut geht und die Hilfe brauchen. Das ist für die Muslime jedes Jahr eine besondere Aktion und hoffe, dass Gott ihre Spende anerkennt und sie für das kommende Jahr beschützt und sie vor Unheil bewahrt.

RAMADAN

Was bedeutet „Der heilige Monat Ramadan“. Der Monat ist für die Muslime ein Monat der inneren Einkehr. Der Monat der Gespräche mit Gott. Der Monat der Dankbarkeit. Der Monat der Bitten an unseren Schöpfer.

Ramadan ist Arabisch und wird von der Wurzel ramida oder
arramad abgeleitet, was „brennende Hitze und Trockenheit”, speziell
des Bodens bedeutet. Aus der gleichen Wurzel kommt ramdaa -sonnengebrannter Sand. Dies deutet auf das Hitzegefühl im Magen hin, das vom Durst erzeugt wird.

Was ist die Wortbedeutung von Ramadan?

Manche erklären auch das damit, dass der Ramadan die Sünden ausbrennt wie die Hitze den Boden. Im Ramadan sind Herz und Seele für die Anbetung und das Gedenken an Gott empfänglicher, so wie Sand und Steine für die Hitze der Sonne.

So hilft der Ramadan dem Gläubigen sieh neu zu formen und seine
physischen und geistigen Veranlagungen und Verhalten zu erneuern.

  1. Wie wird im Islam gefastet?
    Das Fasten im Islam heißt, dass der Muslim bzw. die Muslima von Beginn der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang nichts isst, nichts trinkt, allgemein also keine Nahrung zu sich nimmt und sich des Beischlafs mit dem Ehepartner enthält. Das ist das „äußere” Fasten.
    Das Fasten hat aber auch eine „innere” Dimension. Der Muslim soll demnach im Ramadan noch mehr als sonst darauf achten sich gänzlich von Sünde freizuhalten d.h. nichts Verwerfliches bewusst anschauen, nichts Schlechtes reden, auf nichts Böses hören und nichts Verabscheuungswürdiges tun.
    Denn Fasten lasst erkennen, dass man in Wahrheit einzig und allein von Gott abhängig ist. Zugleich soll sich der Fastende darüber klar werden, dass er sich von vermeintlicher Abhängigkeit von anderem lossagen kann und muss. Er ist ein Pilger, der sich mit seinem Fasten zu seinem Schöpfer aufgemacht hat und alles, woran er gewöhnt ist aber nicht unbedingt benötigt, hinter sich zurücklässt.
    Zudem beschäftigt sich der Muslimwenn er fastet intensiver mit den restlichen Gottesdiensten wie z.B. den Gebeten oder dem Lesen des Korans.

  1. Warum fasten die Muslime?
    Fasten im Islam ist eine Form des Gottesdiensts. Das Fasten im Monat Ramadan gehört zu den sogenannten fünf Säulen des Islam, also zu den Hauptpflichten, die ein Muslim als Gottesdienst durchführt.
    Die anderen Säulen sind das Bezeugen der Einheit Gottes und der Prophetenschaft Muhammads (s) , das täglich fünfmalige Gebet, die Wallfahrt nach Mekka und das Entrichten der Zakat.
    Das Fasten wird den Gläubigen in dem folgenden Koranvers vorgeschrieben.

    „Ihr, die ihr glaubt, euch ist das Fasten vorgeschrieben wie
    es denen vorgeschrieben war, die vor euch waren, damit ihr
    vielleicht gottesfürchtig werdet.” (2:183).


    Laut dieser Aussage im Koran, dem heiligen Buch der Muslime, soll das Fasten um Gottes (Allahs) Willen geschehen d.h. es soll dadurch die Zufriedenheit Gottes erlangt werden.
    Außerdem gehört die Praxis des Fastens zur Tradition des Propheten Muhammad (s), der den Muslimen als Vorbild dient.