
Geduld und Gottvertrauen
Vor allem ist es aber die menschengerechte und seiner naturentsprechenden Lebensweise, die zu einem Einklang zwischen Körper und Seele führt. Im Leben des Propheten Muhammad (s) gibt es hierzu zahlreiche praktische Beispiele. Als theologisches Gerüst findet man hierbei vor allem zwei Aspekte: Geduld (Sabr) und Gottvertrauen (Tawakkul).
Der Begriff der Geduld spielt in der islamischen Theologie und im islamischen Alltag eine wichtige Schlüsselrolle für die Bewältigung von Krisensituationen. Weil damit das Vertrauen auf Gott symbolisiert wird, gilt sie als eine hohe Tugend, und es gibt eine ausgiebige Literatur hierzu.
Als Beispiel für Geduld wird in der islamischen Literatur oft der Prophet Hiob (a), der auch „Held der Geduld“ genannt und für seine Geduld gelobt wird, herangezogen. Laut der Berichte befand sich der Prophet Hiob (a) in einem schwer erkrankten Zustand. Er zeigte so lange Geduld, bis die Krankheit sein Herz und seine Zunge erreichten. Erst dann sprach er ein Gebet, nicht um seiner eigenen Gesundheit willen, sondern um weiterhin Gott anbeten zu können, da er befürchtete, dies nicht mehr bewerkstelligen zu können, wenn sein Herz und seine Zunge von der Krankheit befallen werden würden. Daraufhin gewährte ihm Gott Gesundheit und lies ihm dadurch seine Barmherzigkeit spüren. Diese Geschichte Hiobs (a) ist ein klassisches Narrativ und wird in Not- und Krisensituationen oft als Handlungsempfehlung wiedergegeben.
Hinter Leid steckt eine göttliche Weisheit
Hintergrund dieser Empfehlung ist, dass theologisch davon ausgegangen wird, dass sich alles mit göttlicher Gewalt und göttlichem Wissen vollzieht. Daher wird vor allem in Krisensituationen Gottvertrauen vorausgesetzt. Damit soll signalisiert werden, dass man sich dem göttlichen Willen unterordnet und Gott vertraut. Dabei soll man mit der „Verteilung“ Gottes, also mit dem, was einem Menschen im Leben trifft, zufrieden sein. Gott soll dem Gläubigen dabei Genügen.
Gottvertrauen erfordert in diesem Kontext auch zu erkennen, dass etwas, was der Mensch als gut betrachtet, in Wirklichkeit schlecht für ihn sein kann und umgekehrt. Hinter Leid steckt demnach eine göttliche Weisheit, Glaube und Vertrauen sollen hierdurch geprüft werden. Wer geduldig ist, soll Erbarmen erlangen. Hingegen wird der Verlust der Kontrolle in Notsituationen oder das Fixieren auf die Fehler der Vergangenheit als Fehlverhalten betrachtet.
Geduld als Lösung der Probleme
Gleichzeitig wird es als Gottesdienst angesehen, wenn man gegen Leid und Schmerzen Gottvertrauen und Geduld zeigt und hierfür Gott nicht anklagt. In Notsituationen auf die Hilfe Gottes zu warten, wird ebenfalls als ein Gottesdienst bewertet. Wer in solchen Situationen geduldig ist, dem sollen die Sünden getilgt werden und er wird gelobt. In der islamischen Literatur wird hierbei betont, dass der Geduldige mit Gott ist und er für seine Geduld belohnt wird. Das Endresultat von Geduld ist dann Erfolg, denn mit Geduld in Notsituationen könne der Mensch sowohl seine weltlichen als auch jenseitigen Wünsche erlangen. Aus dieser Argumentation heraus, werden Geduld und Gottvertrauen zu Gottesdiensten.
Es wird also davon ausgegangen, dass Gott niemanden mit einer Not,
einer Last, einem Problem oder einer Krise belastet, die er nicht tragen kann und daher die Belastungen nicht bewältigen kann. Angst, Hunger, Minderung an Besitz, Menschenleben oder Gaben werden direkt als Prüfungen Gottes erachtet. Prüfungen sind durch Gottes Hilfe zu bewältigen, der Schlüssel hierfür sei die Geduld. Die schwierigsten „Prüfungen“ hatten demnach die Propheten selbst zu tragen. Nur so konnten Propheten, die sich als Menschen ebenfalls in Notsituationen befanden, Vorbilder für die gesamte Menschheit sein. Daher wird in Situationen wie z. B. Unglück, Krankheit, finanzielle Notlage oder auch Abschlussprüfungen Geduld erwartet und vorausgesetzt. Mit Gottvertrauen, ohne sich auf das Ergebnis zu fixieren, solle man die notwendigen Mittel zur Beseitigung eines Problems, wie z. B. den Arzt aufsuchen, die Medizin einnehmen oder für die Prüfung lernen, anwenden.
Gottvertrauen und Geduld als spiritueller Impfstoff
Geduld und Gottvertrauen sind jedoch keine Vertröstungen, Trauer ist nicht verboten. Der Muslim geht davon aus, dass das Leben insgesamt eine Prüfung ist und der Mensch entweder mit Geduld oder Danksagung geprüft wird. Sowohl Krankheiten als auch Situationen, in denen keine Krankheiten vorliegen, werden als Prüfungen bezeichnet. Das heißt jedoch nicht, dass sich der Muslim nicht um eine Wiederherstellung der Gesundheit kümmert. Den Körper, der als Eigentum des Schöpfers betrachtet wird, zu pflegen, gehört zu einer muslimischen Lebensweise. So können zum Schutz des Lebens die in Normalfällen geltenden Regeln übertreten werden. Damit ist Geduld keine Passivität oder Legitimation für das Nichthandeln, sondern auch eine aktive Handlung, Hilfe bei Gott und den von ihm erschaffenen Mitteln zu suchen.
In der islamischen Literatur wird Gottvertrauen auch als eine „Eingangsstufe“ zur Spiritualität bezeichnet. Studien zeigen die Signifikanz von Gottvertrauen als Bewältigungsstrategie bei der Reduktion von Angst oder Depression.
Auf Grund dieser Überlegungen werden Geduld und Gottvertrauen zu zwei Verhaltensformen, die wie ein spiritueller Impfstoff eingenommen werden können. Der Mensch kann dadurch einen Zustand des inneren Friedens erreichen und sich von Stress und psychischen Belastungen befreien.
- 38:44 Surah Sad
„Und (Wir sprachen): „“Nimm ein Bündel in deine Hand und schlage damit und werde nicht eidbrüchig.““ Wahrlich, Wir fanden ihn geduldig. (Er war) ein vortrefflicher Diener; stets wandte er sich (Allah) zu. (44)
- 2:153Surah Al-Baqara
O ihr, die ihr glaubt, sucht Hilfe in der Geduld und im Gebet; wahrlich Allah ist mit den Geduldigen. (153)
- 65:3; Surah At-Talaq
und versorgt ihn in der Art und Weise, mit der er nicht rechnet. Und wer auf Allah vertraut – für den ist Er sein Genüge. Wahrlich, Allah setzt durch, was Er will; siehe Allah hat für alles eine Bestimmung gemacht. (3)
- 39:36 Surah Az-Zumar
Genügt Allah Seinem Diener nicht? Und doch möchten sie dich mit jenen außer Ihm in Furcht versetzen. Und für einen, den Allah zum Irrenden erklärt, gibt es keinen Führer. (36)
- 2:216 Surah Al-Baqara
„Zu kämpfen ist euch vorgeschrieben, auch wenn es euch widerwärtig ist. Doch es mag sein, daß euch etwas widerwärtig ist, was gut für euch ist, und es mag sein, daß euch etwas lieb ist, was übel für euch ist. Und Allah weiß es, doch ihr wisset es nicht. (216)
- 42:43 Surah Ash-Shura
Und wahrlich, wer geduldig ist und vergibt – das ist gewiß eine Tugend der Entschlossenheit in allen Dingen. (43)
- 8:46 Surah Al-Anfal
Und gehorcht Allah und Seinem Gesandten und hadert nicht miteinander, damit ihr nicht versaget und euch die Kampfkraft nicht verläßt. Seid geduldig; wahrlich, Allah ist mit den Geduldigen. (46)
- 2:153 Surah Al-Baqara
„“Waret ihr etwa Zeugen, als Jakob im Sterben lag. Als er zu seinen Söhnen sagte: „“Wem werdet ihr dienen, wenn ich weg bin?““ sagten sie: „“Wir dienen deinem Gott, dem Gott deiner Väter Abraham, Ismael und Isaak, dem Einzigen Gott, und Ihm sind wir ergeben.““ (133)
- 39:10 Surah Az-Zumar
„“Sprich: „“O meine Diener, die ihr gläubig seid, fürchtet euren Herrn. Für diejenigen, die in dieser Welt Gutes tun, ist Gutes (bestimmt). Und Allahs Erde ist weit. Wahrlich, den Geduldigen wird ihr Lohn (von Allah) ohne zu rechnen gewährt werden.““ (10)
- 3:200 Surah Al-E-Imran
O ihr, die ihr glaubt, übt Geduld und wetteifert in Geduld und seid standhaft und fürchtet Allah; vielleicht werdet ihr erfolgreich sein. (200)
- 65:7 Surah At-Talaq
Jeder soll aus seiner Fülle ausgeben, wenn er die Fülle hat; und der, dessen Mittel beschränkt sind, soll gemäß dem ausgeben, was ihm Allah gegeben hat. Allah fordert von keiner Seele etwas über das hinaus, was Er ihr gegeben hat. Allah wird nach einer Bedrängnis Erleichterung schaffen. (7)
- 90:4 Surah Al-Balad
Wahrlich, Wir haben den Menschen (zu einem Dasein) in Bedrängnis erschaffen. (4)
- 2:155 Surah Al-Baqara
„Und gewiß werden Wir euch prüfen durch etwas Angst, Hunger und Minderung an Besitz, Menschenleben und Früchten. Doch verkünde den Geduldigen eine frohe Botschaft, (155)
- 2:185, Surah Al-Baqara
Der Monat Ramadan ist es, in dem der Qur`an als Rechtleitung für die Menschen herabgesandt worden ist und als klarer Beweis der Rechtleitung und der Unterscheidung. Wer also von euch in dem Monat zugegen ist, der soll in ihm fasten. Und wer krank ist oder sich auf einer Reise befindet, soll eine Anzahl anderer Tage (fasten) – Allah will es euch leicht, Er will es euch nicht schwer machen – damit ihr die Frist vollendet und Allah rühmt, daß Er euch geleitet hat. Vielleicht werdet ihr dankbar sein. (185)
- 94:5-6 Surah Ash-Sharh
Und, wahrlich, mit der Drangsal geht Erleichterung einher; (5) wahrlich, mit der Drangsal geht Erleichterung einher. (6)
- 4:78 Surah An-Nisa
„“Wo auch immer ihr seid, der Tod ereilt euch doch, und wäret ihr in hohen Burgen. Und wenn ihnen Gutes begegnet, sagen sie: „“Das ist von Allah““; und wenn ihnen Schlimmes begegnet, sagen sie: „“Das ist von dir.““ Sprich: „“Alles ist von Allah.““ Warum verstehen denn diese Leute kaum etwas von dem, was ihnen gesagt wird? (78)
- 21:35 Surah Al-Anbiya
Jede Seele wird den Tod kosten; und Wir stellen euch mit Bösem und mit Gutem auf die Probe; und zu Uns werdet ihr zurückgebracht. (35)
18. 2:214 Surah Al-Baqara
„Oder meint ihr etwa, ihr würdet ins Paradies eingehen, ohne (daß etwas) Ähnliches über euch gekommen sei wie über diejenigen, die vor euch dahingegangen sind? Not und Unheil erfaßte sie, und sie sind erschüttert worden, bis der Gesandte und diejenigen, die mit ihm gläubig waren, sagten: „“Wann kommt die Hilfe Allahs?““ Doch wahrlich, Allahs Hilfe ist nahe. (214)
- 67:2 Surah Al-Mulk
(Er,) Der den Tod erschaffen hat und das Leben, auf daß Er euch prüfe, wer von euch die besseren Taten verrichte; und Er ist der Erhabene, der Allvergebende, (2)
- 24:61 Surah Al-Noor
Kein Vorwurf trifft den Blinden, noch trifft ein Vorwurf den Gehbehinderten, kein Vorwurf trifft den Kranken oder euch selbst, wenn ihr in euren eigenen Häusern eßt oder den Häusern eurer Väter oder den Häusern eurer Mütter oder den Häusern eurer Brüder oder den Häusern eurer Schwestern oder den Häusern eurer Vatersbrüder oder den Häusern eurer Vatersschwestern oder den Häusern eurer Mutterbrüder oder den Häusern eurer Mutterschwestern oder in einem (Haus), dessen Schlüssel in eurer Obhut sind, oder (in dem Haus) eures Freundes. Es ist keine Sünde für euch, ob ihr nun zusammen oder getrennt eßt. Doch wenn ihr in Häuser eintretet, so begrüßt einander mit einem gesegneten, lauteren Gruß von Allah. So macht euch Allah die Gebote klar, auf daß ihr (sie) begreifen möge? (61)
- 48:17 Surah Al-Fath
Kein Tadel trifft den Blinden, noch trifft ein Tadel den Gehbehinderten, noch trifft ein Tadel den Kranken. Und den, der Allah und Seinem Gesandten gehorcht, wird Er in Gärten führen, durch die Bäche fließen; doch den, der (Ihm) den Rücken kehrt, wird Er mit schmerzlicher Strafe bestrafen. (17)
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