08. Mai 1945 – Erlebnis als Kind

von Elisabeth Mariam Müller, Sonntag, 8. Mai 2011 um 18:42

Der 08. Mai 1945

In der Familie im Hause meines Onkels, er war katholischer Pfarrer in Bad Godesberg-Rüngsdorf war an diesem Tage irgendwie eine andere Stimmung. Sie war gelöst und entspannt, man konnte es auch fröhlich nennen. In jedem Fall habe ich als Vierjährige gemerkt, dass etwas passiert sein musste.

Durch den Krieg hatten viele Familienangehörige dort Zuflucht gefunden. Meine Eltern waren aus Mönchengladbach nach Bad Godesberg gekommen, das Haus war durch eine Brandbombe zerstört und ein Wohnen dort nicht mehr möglich. Aufgenommen hatte mein Onkel, auch seine Schwester Anna mit Tochter Billa, die Kinder seiner ältereren Schwester, Maria mit Tochter Trude und Anna mit ihren zwei Kindern Anna und Manfred, deren Männer im Krieg gefallen waren  und nun auch seinen jüngsten Bruder mit den 3 Kindern.

Vater fummelte den ganzen Tag  an dem selbstgebastelten Radio herum und hörte gespannt zu was die Nachrichten sagten.

Irgendwie eine erleichterte Situation und Atmosphäre.

Heute weiß ich, es war das Ende eines furchtbaren Krieges.

Wir hatten sehr schönes Wetter, eine stabile Wetterlage, wie man heute sagt. Die Sonne schien und es war warm. Wir Kinder durften wieder im Garten spielen, mein kleiner Bruder, gerade fünf Monate alt lag im Kinderwagen, der auf der Terrasse stand.

Die Erwachsenen redeten viel miteinander, ich verstand diese Diskussionen nicht.

Es ging natürlich darum, wie es nun weiter ging nach der Kapitulation Deutschlands. Es wurden auch die Ängste formuliert, die die Menschen bewegten, keiner wusste was nun kam.

„Aber schlimmer,“ so mein Vater, „konnte es nicht kommen.“

Tage später verfestigte es sich, der Krieg war zu Ende. Keiner musste Bombenangriffe fürchten, keine ungerechten Verhaftungen mehr. Aber trotzdem viel Ungewissheit.

Erleichterung war überall spürbar. Auch im Haus wurde Frühjahresputz gehalten, nach Ansicht meiner Tante Tinchen war das dringend notwendig, der Krieg hatte es lange verhindert.

Ich denke, die Männer im Hause sahen das ganz anders, aber meine Tante Tinchen hatte im Haus das Sagen und was sie anordnete musste gemacht werden. Also wurde aus dem geordneten Haushalt ein Chaos gemacht. Schränke ausgeräumt, Inhalte aussortiert, blitzsauber geputzt und alles wieder penibel eingeräumt.

Zimmer für Zimmer wurde vorgenommen. Mein Vater, hatten die Aufgabe die Kohleöfen vom Ruß zu befreien, vor allem die Ofenrohre hatten davon ziemlich angesetzt. Die Öfen wurden gewienert und blank geputzt.

Viel Zeit nahm der Hausputz von Onkels Studierzimmer ein, dort standen 1000 Bücher und viel Papier und Ordner.

Es wurde in die letzte Ecke gekrochen, gesäubert und aufgeräumt. Auch der Keller, der uns Schutz gegeben hatte, bei Bombenangriffen wurde ausgemistet

Tante meinte, dass auch die Federbetten und Kopfkissen verdient hatten mal tüchtig ausgelüftet zu werden. Sie bestimmte, dass sie alle im Garten auf die Leine gehängt werden und Luft tanken sollten.

Diese roten Inletts mit Gänsefedern und Daunen gefüllt, wurden in den doch sehr großen Pfarrgarten aufgehängt. Im Haus wohnten zu der Zeit 14 Personen, da kann man sich vorstellen, was da auf der Leine rot leuchtete.

Petersberg
Petersberg

Aber das dauerte nicht lange, wie ich schon erzählte, wohnten wir in Bad Godesberg und konnten auf das Siebengebirge schauen. Der Petersberg, wo das Gästehaus der Bundesregierung steht, liegt genau gegenüber. In Königswinter waren die Amerikaner einmarschiert und hatten auch den Petersberg besetzt. Von dort konnten sie ganz Bonn und vor allem der Ortsteil Rüngsdorf, der direkt am Rhein liegt, beobachten und kontrollieren. Sie konnten auch den Pfarrgarten von oben einsehen und diese roten Dinger auf der Leine wurde von ihnen als Provokation empfunden, „rot“ Kommunisten – Widerstand, was auch immer, sie haben vom Petersberg diese roten Dinger mit Granaten beschossen und alle Federbetten ins Visier genommen. Auch der Kinderwagen auf der Terrasse stand wurde getroffen und eine Granate hat den Wagen durchschlagen und meinen kleinen Bruder leicht verletzt.

64-Siebengebirg
Blick auf Bonn vom Siebengebirg

Als der Angriff vorbei war sahen wir die Katastrophe, der Garten sah aus, als ob es geschneit hätte, alle Federn und Daunen wirbelten im Garten. Alle Federbetten waren beschädigt.

Schnell wurden die Inletts herein-geholt und alle sammelten so gut es ging die Federn auf. Weil es gab doch nichts, man konnte nicht einfach neues Zudeck kaufen. Die Federn wurden gewaschen, getrocknet und wieder in die Inletts gestopft und die Löcher zugenäht und geflickt. Viele, viele Jahre haben wir diese Federbetten benutzt, und erinnerten uns immer wieder an das Ende des zweiten Weltkrieges.

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