Der Vater wurde 1901 in Mönchengladbach geboren, er war der Jüngste von zwölf Geschwistern. Als er aus der Schule kam, war einer seiner Brüder Wilhelm im Priesterseminar in Bonn.
Er hatte, so wie er immer erzählte eine schöne Kindheit und Jugend. Meine Großeltern waren sehr fromme katholische Menschen.
Großvater war sehr fleißig, er arbeitete in mehreren Arbeitsstellen, die schwerste Arbeit war wohl die Kesselreinigung, das waren wohl riesig große Kessel, wo der Kalk abgeschlagen werden musste. Mit seinem Fleiß konnte er sich ein Haus in Mönchengladbach-Dahl anschaffen. Wo die Großeltern bis in die dreißiger Jahre gelebt haben.
Bild: Mönchengladbach – Dahl, Aktienstraße:
Meine Mutter wurde 1912 in Mönchengladbach-Venn geboren.
Sie waren drei Geschwister.
Der Bruder meiner Mutter, ein hochbegabter junger Mann, der den Weg von meinem Großvater einschlagen wollte, er kam im zweiten Weltkrieg ums Leben. Er war gerade zwei Monate verlobt.
Die Großmutter, eine anerkannte Modeschneiderin, starb sehr früh an einer Herzkrankheit. Meine Mutter war da gerade mal neun Jahre alt.
Mein Großvater, er war Bilanzbuchhalter, fand eine neue Frau, die den beiden Mädchen keine Chance gegeben hatte, einen Beruf zu erlernen und steckte sie in Haushalte, wo meine Tante Käthe und meine Mutter kein leichtes Leben hatten.
Mein Vater war ein Junggeselle, der sein Leben genoss. Er war beliebt, er war hilfsbereit, er war immer zu Scherzen aufgelegt und wäre wohl bis am Ende seines Lebens ein Junggeselle geblieben, wenn nicht seine Schwester , meine Tante Trautchen, ihm nicht unmissverständlich klar gemacht hätte, dass sie nicht mehr gewillt war, für ihn zu sorgen. Sie setzte ihn so unter Druck, dass er sich eine Frau suchte.
1939 war er der Prinz Karneval von Mönchengladbach, wohl auf diesen Touren hat er meine Mutter kennen gelernt. Weil Beide kein so richtiges Zuhause hatten, waren sie sich schnell einig, zu heiraten. Mein Vater war bei der Post angestellt, heute würde man sagen bei der Telekom. Er war Beamter und leitete den Trupp, der die Telegrafenmasten aufstellte und wartete. Er hatte also ein gutes Auskommen.
Seit 1933 waren die Nazis an der Macht, und da herrschten andere Regeln wie heute. Wie er immer erzählte, nervten ihn auch die ewigen Fragen seiner Vorgesetzten, warum er noch nicht verheiratet war. Seine Antworten waren immer: „Habe die richtige noch nicht gefunden, bin gewillt sie zu finden.“
Diese Herren störte es auch gewaltig, dass sich mein Vater in der katholischen Gemeinde engagierte. Er machte viel Jugendarbeit und war auch nicht in der Partei, da hat er sich immer verweigert und hat auch so gut er konnte, gegen diese Nazis gearbeitet.
Mein Onkel Willi, wir Kinder durften ihn nur „Onkel Pastor“ nennen, war inzwischen Priester und Kaplan an der Stiftskirche in Bonn. Meine Großeltern sind ihm nach Bonn gefolgt und haben ihm den Haushalt geführt.
Die Großmutter starb 1936 und der Großvater ein Jahr später. Sie beide haben die Goldhochzeit feiern können im Kreise ihrer Kinder und Verwandten.
Meine Eltern heirateten am 08.April 1940, die kirchliche Trauung war am
Pfingsten, den 11. Mai 1940 in der Stiftskirche in Bonn. Die Hochzeitsfeier wurde je abgebrochen, es fielen die ersten Bomben auf die Stadt Mönchengladbach.
Bild: Stiftskirche, Bonn
Meine Eltern und die Familie kehrten voller Sorge zurück nach Mönchengladbach-Dahl. Gott sei Dank, war in ihrem Wohnviertel nichts passiert, aber ab dem Zeitpunkt lebten meine Eltern immer in Angst und Schrecken.
Mutter erzählte, sie hätte aufgehört zu zählen, wie oft sie in den Bunker gerannt sind, der ungefähr 500 m von ihrem Haus in der Aktienstraße im Kamillianer-Krankhaus war.
Bild: Kamillianer-Krankenhaus mit Kirche
1941 kam ich dort zur Welt. Meine Mutter hatte eine sehr schwere Geburt, ich konnte nur mit Kaiserschnitt geholt werden, das war in dieser Zeit eigentlich ein Todesurteil für die Mutter.
Sie hat es überlebt, auch die vielen Schnitten an ihren Brüsten, weil sie wohl Schwierigkeiten hatte, mich zu stillen. Ich war ein Flaschenkind, aber ein Sonntagskind, denn mein erster Schrei fiel mit dem Glockengeläut der anliegende St. Kamillianer-Kirche am Sonntag um 11.00 Uhr zusammen.
Als ich ein Jahr und vier Monate alt war, kam mein Bruder Hans-Josef zu Welt. Meine Mutter war überglücklich, einem Sohn das Leben geschenkt zu haben. Nur mein Bruder wurde schon früh sehr krank, er hatte Hirnhautentzündung. In der Nazi-Zeit war das sehr gefährlich, weil alles unwerte Leben ausgelöscht wurde. Meine Eltern wussten lange nicht, welche Form von Entzündung er hatte. Die Gebete wurden erhört und mein Bruder wurde gesund.
Im März 1943 bekam ich ein weiteres Geschwisterchen. Der kleine Bruder Klaus überlebte einen Bombenangriff nicht, ihm platze die Lunge und verstarb, er war gerade mal vier Monate alt.
Ich war gerade zwei Jahre alt, kann mich aber an den kleinen weißen Sarg erinnern, in dem mein Bruder im Haus aufgebahrt war. Ich habe mit meinem Vater blaue Blümchen in den Sarg gelegt. Es war sehr still in diesem kleinen Zimmer.
Bis in das Jahr 1944 erlebten die Eltern einen Bombenangriff nach dem anderen. Oft trafen Bomben unser Haus, das Dach war kaputt und man konnte vom Bett aus, den Himmel sehen. Meine Tante Trautchen wohnte unten, und ich konnte durch ein Loch in unserem Küchenboden mit meiner Tante sprechen.
Immer wieder brannte es im Haus, eine Brandbombe zerstörte das Wohnzimmer und das Sofa. Alle im Haus warteten in einem Schuppen am Haus, bis die Männer das Feuer gelöscht hatten. Ich hatte immer eine panische Angst. Sie war auch da, wenn wir immer und immer wieder in den Luftschutzkeller des Kamillianer-Krankenhauses stundenlang ausharren mussten.
Sie war auch da, wenn man am Himmel solche komische Lichter sahen, oder auch leuchtende Dinger herunterfielen. Sie war da, wenn die Sirene brüllte, ich mag sie heute noch nicht. Heute noch habe ich Angst, wenn Kerzen brennen, bei mir stehen überall Kerzen, aber ich zünde sie nie an.
Angst in unendlichem Maße kam einen Tag auf, als meine Eltern wieder mit uns zwei Kindern durch einen Brand schnell das Haus verlassen mussten. Ich war auf dem Arm von meinem Vater, meine Mutter hatte meinen Bruder auf dem Arm und kam hinter uns her. Sie hatte die Tasche mit den wichtigen Papieren mit der sie an der Türklinke hängen blieb. Ich kann mich an den Schrei von meinem Vater erinnern, der meine Mutter aufforderte die Taschen hängen zu lassen und raus zu kommen. Es ist wohl alles gut gegangen, aber das Haus war nicht mehr bewohnbar.
So verließen meine Eltern, in wohl einer Nacht- und Nebelaktion die Stadt. Das durfte man zu der Zeit nicht ohne Genehmigung. Wir sind nach Bonn-Bad Godesberg zu meinem Onkel „Pastor“ gekommen. Meine Mutter war schwanger.
Meine Eltern sind bis zu ihrem Tod in Bad Godesberg-Rüngsdorf geblieben.
Bonn-Bad Godesberg – Ortsteil Rüngsdorf am Rhein
Viele fragen sich, warum mein Vater immer noch bei uns war. Er war nicht wehrtauglich, ich glaube so nennt man das. Er hat zwei oder drei Jahre vor der Heirat Typhus gehabt, die ihn sehr mitgenommen hat. Durch diese Krankheit konnte er auf einem Ohr nicht mehr hören und litt immer wieder an den Folgen.
Ein Glück im Unglück war es. So konnte mein Vater sich um die Familie und die Angehörigen kümmern. Fast alle Männer der Familie waren an der Front. Ihm fielen immer wieder Aktionen gegen die Nazis ein. Er erzählte, dass er mit einem Poststempel, die er illegal auf den Urlaubsformulare von Soldaten setze, diese von der Front holte und ihnen eine Atempause verschaffte, von diesem schrecklichen Krieg.
Von diesen Männern hörte er dann was mit den jüdischen Familien passierte, die auch aus seiner Nachbarschaft plötzlich verschwunden waren. Sie erzählten, dass diese Familien nicht umgesiedelt wurden, sondern in Lager kamen und dort getötet, oder auch auf den Weg dahin erschossen wurden. Freunde von meinem Vater, es waren Menschen jüdischer Herkunft, die eine Tuchfärberei hatten, haben sich in einem heißen Farbbottisch das Leben genommen.
Er ist wohl in dieser Zeit sehr politisch geworden. Durch sein selbstgebasteltes Radio hat er immer die Sendungen aus England gehört und war gut informiert. Feindsender hören stand unter hoher Strafe.
Uns Kindern hat er immer gesagt, dass wir aufpassen sollen, gegen Ungerechtigkeiten vorgehen sollten und die Menschen achten und akzeptieren sollten, so hat er uns erzogen.
11. Oktober 2013 um 9:18 am |
schöne seite, weiter so…lass dich nicht unterkriegen 😉